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Urteil Versicherungsgericht (SG)

Zusammenfassung des Urteils IV 2004/19 und I 712/04: Versicherungsgericht

Das Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen hat in einem Fall entschieden, dass eine schwer behinderte Person Anspruch auf eine elektrische Motorhilfe für ihren Rollstuhl hat, auch wenn sie das Hilfsmittel nicht selbst bedienen kann. Die IV-Stelle hatte die Kostenübernahme abgelehnt, da die Person nicht eigenständig mobil war und auf die Hilfe anderer angewiesen war. Der Entscheid wurde gegen die IV-Stelle gefällt, ohne Gerichtskosten zu erheben.

Urteilsdetails des Kantongerichts IV 2004/19 und I 712/04

Kanton:SG
Fallnummer:IV 2004/19 und I 712/04
Instanz:Versicherungsgericht
Abteilung:Versicherungsgericht
Versicherungsgericht Entscheid IV 2004/19 und I 712/04 vom 12.10.2004 (SG)
Datum:12.10.2004
Rechtskraft:-
Leitsatz/Stichwort:Entscheid Art. 21 IVG; Ziff. 9.02 HVI Anhang. Auf das einschränkende Erfordernis der Selbständigkeit bei der Fortbewegung für die Abgabe einer batteriebetriebenen Schubhilfe (oder auch eines Elektrofahrstuhls) ist zu verzichten.Das Erfordernis ist kaum sachgerecht begründbar.Ein batteriebetriebenes Schubgerät muss demnach auch zur Erleichterung der Hilfe von Drittpersonen abgegeben werden, wenn eine angemessene Fortbewegung des Behinderten anders nicht mehr erreicht werden kann, auch wenn die behinderte Person das Hilfsmittel nicht selbst bedient (Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons St. Gallen vom 12. Oktober 2004, IV 2004/19).(Der Entscheid ist vom Eidgenössischen Versicherungsgericht mit Urteil vom 13. Oktober 2005 aufgehoben worden, I 712/04)
Schlagwörter : Hilfsmittel; IV-act; Rollstuhl; Fortbewegung; Elektrofahrstuhl; Person; Abgabe; Hilfe; Invaliden; Schubgerät; Drittperson; Gallen; Versicherungsgericht; IV-Stelle; Verfügung; Hilfsperson; Selbständigkeit; Schubhilfe; Entscheid; Unfall; Motorhilfe; Einsprache; Anspruch
Rechtsnorm:-
Referenz BGE:105 V 257;
Kommentar:
-

Entscheid des Kantongerichts IV 2004/19 und I 712/04

Art. 21 IVG; Ziff. 9.02 HVI Anhang. Auf das einschränkende Erfordernis der Selbständigkeit bei der Fortbewegung für die Abgabe einer batteriebetriebenen Schubhilfe (oder auch eines Elektrofahrstuhls) ist zu verzichten.

Das Erfordernis ist kaum sachgerecht begründbar.

Ein batteriebetriebenes Schubgerät muss demnach auch zur Erleichterung der Hilfe von Drittpersonen abgegeben werden, wenn eine angemessene Fortbewegung des Behinderten anders nicht mehr erreicht werden kann, auch wenn die behinderte Person das Hilfsmittel nicht selbst bedient (Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons St. Gallen vom 12. Oktober 2004, IV 2004/19).

(Der Entscheid ist vom Eidgenössischen Versicherungsgericht mit Urteil vom

13. Oktober 2005 aufgehoben worden, I 712/04)

Präsident Franz Schlauri, Versicherungsrichterin und -richter Margrit Christen-

Baumann, Jürg Dommer; Gerichtsschreiber Karlheinz Vaishar

Entscheid vom 12. Oktober 2004

In Sachen K. ,

Beschwerdeführerin, vertreten durch A. , gegen

IV-Stelle des Kantons St. Gallen, Postfach 368, 9016 St. Gallen,

Beschwerdegegnerin, betreffend

Hilfsmittel

hat das Versicherungsgericht in Erwägung gezogen:

I.

A.- Die am 3. Juli 1941 geborene K. meldete sich im August 2000 wegen den Folgen eines Unfalls am 19. April 2000 bei der Invalidenversicherung zum Leistungsbezug an (IV-act. 1). Dr. med. B. bestätigte am 22. Januar 2001 (IV-act. 6), dass bei der Versicherten ab Unfalldatum eine Arbeitsunfähigkeit von 100% bestehe. In der Folge hielt sie sich vom 18. Oktober bis 28. November 2000 in der Rehaklinik Bellikon auf. Dem Austrittsbericht vom 5. Dezember 2000 ist im Wesentlichen zu entnehmen, dass sich die Versicherte beim Unfall vom 19. April 2000 eine traumatische

Hirnverletzung links temporo-basal, eine laterale dislozierte Klavikularfraktur rechts und Kontusionen am Knie rechts mit Hämatobursa und eine Ellbogenkontusion beidseits zugezogen hatte. Seither bestehe eine leichte bis mittelschwere neuropsychologische Störung, eine leichte Kommunikationsstörung, ein Schwindel mit rezidivierender Übelkeit, rezidivierende Kopfschmerzen und ein Verdacht auf eine depressive Störung.

B.- Am 9. Juli 2002 erlitt die Versicherte einen zweiten Unfall mit einer medialen Schenkelhalsfraktur links. Eine Endoprothesenversorgung erfolgte am 20. Juli 2002. Als Nebendiagnose wurde zudem eine ischämische Colitis festgestellt (vgl. UV-act. 138). Wegen gynäkologisch/urologischen Problemen und einer Rehabilitation wegen der Schenkelhalsfraktur war die Versicherte vom 6. August 2002 bis 18. November 2002 in der Geriatrischen Klinik des Bürgerspitals St. Gallen hospitalisiert (vgl. UV-act. 140 und 116). Zuvor war ihr im Spital Wil ein künstliches Hüftgelenk eingesetzt worden (vgl. UVact. 106). Der dortige Aufenthalt dauerte vom 19. Juli bis 6. August 2002. Im Januar 2003 meldete sich die Versicherte zum Bezug einer Hilflosenentschädigung an (IV-act. 17, 20). Eine telefonische Abklärung ergab, dass die Versicherte beim Aufstehen, Absitzen und Abliegen, bei der Körperpflege, beim Verrichten der Notdurft und bei der Fortbewegung hilflos sei (IV-act. 22). Mit Verfügung vom 25. Juni 2003 sprach ihr die SUVA eine monatliche Rente von Fr. 1'987.--, eine Hiflosenentschädigung von Fr. 1'172.-- und eine Integritätsentschädigung von Fr. 80'100.-zu (IV-act. 25a). Am 22. Juli 2003 wurde ihr von der Invalidenversicherung ebenfalls eine Hilflosenentschädigung für eine Hilflosigkeit mittleren Grades zugesprochen (IV-act. 29). Diese Zahlungen wurden dann aber wegen Zuständigkeit des UVG-Versicherers eingestellt (IV-act. 34 und 35). In der Folge errechnete die IV-Stelle einen Invaliditätsgrad von 87% ab 19. April 2000 (Datum des ersten Unfalls) und sprach der Versicherten mit Verfügung vom 12. November 2003 ab 1. April 2001 eine ganze Invalidenrente zu (IV-act. 45).

C.- Am 27. Februar 2003 wurde das C. mit der Abklärung der Notwendigkeit allfälliger Hilfsmittel beauftragt (IV-act. 52). Mit Bericht vom 22. April 2003 empfahl das C. eine Kostenbeteiligung an ein Alarmtelefon, an ein Badebrett und eine Toilettensitzerhöhung, an Armlehnstühle und den selbst angeschafften Rollstuhl (IV-act. 53). Die Übernahme der Kosten für den Rollstuhl (Fr. 600.--) lehnte die IV-Stelle jedoch ab, da dafür die SUVA zuständig sei (Verfügung vom 10. August 2003, IV-act. 54).

Ebenfalls abgelehnt wurde ein Aufstehsessel "Relax" (Verfügung vom 27. Mai 2003, IVact. 55). Die übrigen empfohlenen Hilfsmittel wurden bewilligt (IV-act. 56, 57, 58), ebenso wie die Mietkosten für ein Elektrobett (IV-act. 60) und Haltgriffe für Dusche/WC (IV-act. 63). Da die Versicherte ohne fremde Hilfe nicht mehr gehen konnte, regte des SAHB die Anschaffung eines Duschstuhls an (IV-act. 66), den die IV-Stelle bewilligte (IV-act. 67).

D.- Mit Schreiben vom 24. Dezember 2003 wandte sich der leitende Arzt des Bürgerspitals St. Gallen an die IV-Stelle mit dem Antrag auf Übernahme einer elektrischen Motorhilfe für einen Rollstuhl (IV-act. 68) mit der Begründung, als Folge der Unfälle hätten sich Gangstörungen eingestellt. Die Versicherte benötige seit zwei Jahren einen Rollstuhl. Eine Verschlechterung der neurologischen Symptome habe trotz der Therapien nicht verhindert werden können. Die SUVA habe diese Motorhilfe abgelehnt, weil es die Regression der Versicherten noch mehr fördern würde. Dies treffe aber heute nicht mehr zu, da die Versicherte seit einigen Monaten nicht mehr stehen könne, eine Rollstuhlmobilität sei nicht gegeben. Wegen der neuropsychologischen Probleme sei die Versicherte nicht in der Lage, einen Elektrofahrstuhl zu bedienen. Für den Ehemann sei nun diese Motorhilfe die einzige Möglichkeit, die Versicherte mit dem Rollstuhl ins Freie zu führen. Mit Verfügung vom 5. Januar 2004 lehnte die IV-Stelle die Kostenübernahme für den Elektro-Hilfsantrieb ab, da die Versicherte sich nicht selbständig fortbewegen könne und auf die Hilfe einer Begleitperson angewiesen sei (IV-act. 70). Eine gegen diese Verfügung erhobene Einsprache (IV-act. 71) wies der Rechtsdienst der Sozialversicherungsanstalt des Kantons St. Gallen (SVA) mit Einspracheentscheid vom 13. Februar 2004 ab (IV-act. 74).

E.- Gegen diesen Entscheid richtet sich die Beschwerde vom 9. März 2004 (act. G 1) mit dem Antrag, die Beschwerdegegnerin sei zu verpflichten, die Kosten für die Anschaffung eines Elektro-Hilfsantriebs zu übernehmen. Der Rechtsvertreter der Beschwerdeführerin bringt im Wesentlichen vor, die Beschwerdegegnerin stütze sich auf ein 17 Jahre altes Urteil des Eidgenössischen Versicherungsgerichts, das den Fall einer schwer geistig Behinderten betreffe, was auf die Beschwerdeführerin nicht zutreffe, da sie einer normalen Konversation ohne Weiteres folgen könne. Wie solle nun eine versicherte Person ihr gesetzliches Grundrecht auf soziale Kontaktaufnahme

wahrnehmen können, wenn sie dazu ständig auf die Hilfe Dritter angewiesen sei Ohne die elektrische Motorhilfe werde die Beschwerdeführerin vollumfänglich von der Gesellschaft ausgegrenzt.

F.- In ihrer Beschwerdeantwort beantragt die Beschwerdeführerin unter Hinweis auf den Einspracheentscheid Abweisung der Beschwerde (act. G 3).

G.- Der Rechtsvertreter der Beschwerdeführerin hat auf die Einreichung einer Replik verzichtet (act. G 5).

II.

1.a) Gemäss Art. 21 Abs. 2 IVG hat der Versicherte, der infolge seiner Invalidität für die Fortbewegung, für die Herstellung des Kontakts zur Umwelt für die Selbstsorge kostspieliger Geräte bedarf, im Rahmen einer vom Bundesrat aufzustellenden Liste ohne Rücksicht auf die Erwerbstätigkeit Anspruch auf solche Hilfsmittel. Art. 21 Abs. 2 IVG enthält demnach zwei kumulative Kriterien. Zum einen setzt die Aufnahme in die Hilfsmittelliste voraus, dass ein Hilfsmittel kostspielig ist. Zum andern wird verlangt, dass es für den Invaliden notwendig ist. Diese Notwenigkeit ergibt sich aber nicht allein schon aufgrund der Invalidität eines Versicherten. Wesentlich ist, dass das Hilfsmittel zur Erreichung eines der im Gesetz umschriebenen Zwecke (Fortbewegung, Herstellung des Kontaktes mit der Umwelt, Selbstsorge) erforderlich ist. Diese Voraussetzung ist dann erfüllt, wenn dem Invaliden nicht zugemutet werden kann, ohne den beanspruchten Gegenstand sich fortzubewegen, mit der Umwelt in Kontakt zu bleiben für sich zu sorgen. Entsprechend der allgemeinen Voraussetzung für alle Eingliederungsmassnahmen, wozu auch die Hilfsmittel gehören, muss zudem das fragliche Hilfsmittel zur Erreichung des gesetzlichen Zweckes auch geeignet sein (ZAK 1983, S. 448 E. 2a).

b) Mit Art. 14 IVV hat der Bundesrat die Kompetenz zur Erstellung einer Hilfsmittelliste an das Eidgenössische Departement des Innern (EDI) delegiert. Unter Ziff. 9 „Rollstühle“ der Liste der Hilfsmittel im Anhang zur HVI (Verordnung über die Abgabe von Hilfsmitteln durch die Invalidenversicherung, SR 831.232.51) ist die Abgabe von Rollstühlen ohne motorischen Antrieb (Ziff. 9.01) und Elektrofahrstühlen für

Versicherte, die einen gewöhnlichen Rollstuhl nicht bedienen und sich nur dank elektromotorischem Antrieb selbständig fortbewegen können (Ziff. 9.02), vorgesehen. Gemäss Rz 9.02.6 des Kreisschreibens des BSV über die Abgabe von Hilfsmitteln in der Invalidenversicherung (KHMI; in der ab 1. März 2004 gültigen Fassung) kann, wenn die Anspruchsvoraussetzungen für die Abgabe eines Elektrofahrstuhls erfüllt sind, auf Wunsch des Versicherten anstelle eines solchen ein batteriebetriebenes Schubgerät für einen gewöhnlichen Rollstuhl abgegeben werden. Die Abgabepraxis der IV kennt demnach anders als die HVI - nicht zwei, sondern drei Typen von Rollstühlen. Freilich ist dem Schubgerät als „Mittelding“ zwischen gewöhnlichem Rollstuhl und Elektrofahrstuhl nach dem KHMI keine selbständige Rolle zugedacht. Damit kann nur der Elektrofahrstuhl ersetzt werden (was nur in seltenen Fällen eine Erleichterung für die Versicherten darstellen dürfte), nicht aber der gewöhnliche Fahrstuhl „aufgewertet“ werden.

2.a) Vorliegend wurde der Beschwerdeführerin die Abgabe einer Schubhilfe für einen gewöhnlichen Rollstuhl verweigert. Zur Begründung führte die Beschwerdegegnerin an, die Beschwerdeführerin könne sich nicht selbständig fortbewegen und sei ständig auf die Hilfe von Drittpersonen angewiesen. Sie beruft sich dabei auf die Praxis des Eidgenössischen Versicherungsgerichts (BGE 105 V 257, ZAK 1980 S. 227; ZAK 1988, 180), welche betreffend der Abgabe einer elektrischen Schubhilfe für einen gewöhnlichen Rollstuhl entschieden hat, dass das Schubgerät auch vom Versicherten selber müsse bedient werden können. Das EVG begründete seinen Entscheid damit, dass nur in solchen Fällen das Erfordernis der selbständigen Fortbewegung gewahrt werde. Diese Praxis führt im vorliegenden Fall zu einem ausserordentlich unbefriedigenden Ergebnis, so dass eine nähere Prüfung angezeigt ist.

  1. Gemäss Art. 21 Abs. 2 IVG wird mit der Hilfsmittelabgabe zwar die Fortbewegung der invaliden Person angestrebt. Das Gesetz spricht aber nicht von der selbständigen Fortbewegung als Zweck der Hilfsmittelabgabe. Dieses Erfordernis wurde im Rahmen der Gesetzesdelegation zum Erlass einer Hilfsmittelliste vom Verordnungsgeber als zusätzliche einschränkende Bedingung eingeführt. Das EVG führte aus, dieses Selbständigkeitserfordernis bei der Fortbewegung sei bereits in einem früheren Urteil bezüglich des Anspruchs auf einen Krankenheber (Ziff. 14.02 HVI-

    Anhang) als gesetzund verfassungsmässig bezeichnet worden. Dabei fällt aber auf, dass in der ab 1. Januar 1983 gültigen Neufassung von Ziff. 14.02 HVI-Anhang welche bei Erlass des Urteils bereits in Kraft war auf das Selbständigkeitserfordernis verzichtet wurde und dieses Hilfsmittel nun auch abgegeben wird, wenn es vorwiegend der Erleichterung der Hilfe von Drittpersonen dient.

  2. Grundsätzlich ist es sinnvoll, einer behinderten Person ein Hilfsmittel abzugeben, damit sie sich möglichst selbständig fortbewegen kann. Für die Abgabe eines Elektrofahrstuhls und einer batteriebetriebenen Schubhilfe in absoluter Weise auf die Bedingung einer selbständigen Bedienung des Hilfsmittels durch die behinderte Person abzustellen, ist jedoch kaum sachgerecht begründbar. Kann eine Person einen Elektrofahrstuhl nicht selbständig bedienen, so ist sie generell auf die Hilfe Dritter angewiesen. Es besteht keine Möglichkeit zur selbständigen Fortbewegung mehr. Warum eine in diesem Ausmass behinderte Person nicht trotzdem von den Vorteilen eines elektrischen Antriebs soll profitieren dürfen, ist wo ein gleichwertiger Nutzen erkennbar ist - nicht zu rechtfertigen. Natürlich ist für eine behinderte Person, deren Wahrnehmungsvermögen und damit verbunden das Bewegungsbedürfnis minimal geworden sind, ein Elektrofahrstuhl nicht zweckmässig. Anders liegen jedoch die Verhältnisse, wo, wie namentlich bei jüngeren invaliden Personen, regelmässig ein erhebliches Mobilitätsbedürfnis vorliegt. Hier erträgt die zur autonomen Bedienung eines Elektrorollstuhles einer Anschubhilfe zufällig unfähige, sonst aber durchaus wahrnehmungsfähige Person die Zurücksetzung in der Hilfsmittelabgabe nur schlecht. Denn sie muss regelmässig erhebliche Einschränkungen auf sich nehmen, weil sie neben dem Rollstuhl auch eine Hilfsperson braucht. Diese Hilfsperson wird ihre Mobilitätsbedürfnisse viel begrenzter befriedigen, wo nur ein gewöhnlicher Rollstuhl vorhanden ist, als wenn ein Elektrorollstuhl eine Anschubhilfe gegeben ist. Neben der Last, immer eine Hilfsperson engagieren zu müssen, hat diese Person zusätzlich zu deren Limiten in Kraft und Aktionsradius als Einschränkung hinzunehmen. Es ist nun äusserst zweifelhaft, ob der Gesetzessinn und der Konkretisierungsauftrag an die Verordnungsstufe dahingehen, solche gravierende unterschiedliche Mobilisierungschancen in der Hilfsmittelversorgung zu zementieren. Weder der Hilfsmittelbegriff noch der Gedanke der Hilfsmittelversorgung werden „geritzt“, wenn man auf ein einschränkendes Selbständigkeitserfordernis bei der Fortbewegung verzichtet. Denn auch ein Elektrofahrstuhl eine elektrische Anschubhilfe, welche

    die Dritthilfe erleichtert, dient in allererster Linie ausschliesslich dem Behinderten. Es ist wohl nicht sinnvoll (wie in ZAK 1988, 183 E. 3c angemerkt), dem schwerbehinderten Versicherten nur den gewöhnlichen Rollstuhl abzugeben und dafür regelmässige teure Taxifahrten zu vergüten, statt die Berechtigung auf ein weit kostengünstigeres Hilfsmittel wie eine elektrische Anschubhilfe anzuerkennen.

  3. Dem Ehemann der Beschwerdeführerin ist es vorliegend offenbar überhaupt nicht mehr möglich, seine Frau ohne Unterstützung eines Antriebs in einem vernünftigen Rahmen zu bewegen. Die Fortbewegung der Beschwerdeführerin, mithin der zentrale Gesetzeszweck, ist daher mit der Abgabe eines gewöhnlichen Rollstuhls nicht mehr gewährleistet. Ist einer Drittperson nicht mehr zumutbar bzw. möglich, einen Schwerbehinderten im Rollstuhl zu schieben, so wird ihm durch die bisherige Praxis die Fortbewegung weitgehend verweigert. Daran kann auch der Umstand, dass eine allfällig ausgerichtete Hilflosenentschädigung die Hilfe durch Dritte abgelten will, nichts ändern. Einerseits kann diese finanzielle Unterstützung die Fortbewegung des Schwerinvaliden im gewöhnlichen Rollstuhl nicht hilfsmittelmässig ermöglichen. Andererseits stellt sich dann wegen der Rechtsgleichheit auch die Frage, ob einen Versicherten, welcher für die Fortbewegung nicht auf Hilfe Dritter angewiesen ist, die Hilflosenentschädigung nicht entsprechend gekürzt werden müsste. Zudem müsste man sich vor dem Hintergrund der geltenden Regelung fragen, ob mit Blick auf eine rechtsgleiche Behandlung einer invaliden Person, die bereits einen Elektrofahrstuhl besitzt, diesen aber wegen fortschreitendem Leiden nicht mehr selbständig bedienen kann, das Hilfsmittel nicht wieder weggenommen werden müsste, was in der Praxis kaum verstanden würde.

e) Selbst wenn das Selbständigkeitserfordernis für die Abgabe eines Elektrofahrstuhls die ihm von der Rechtsprechung unterlegte rigide Bedeutung haben sollte, so leuchtet es immer noch nicht ein, wieso die Verordnung ein batteriebetriebenes Schubgerät für einen gewöhnlichen Rollstuhl lediglich im Austausch mit einen Elektrofahrstuhl vorsieht. Das Schubgerät unterscheidet sich vom Elektrofahrstuhl sowohl durch den Preis als auch dadurch, dass es von seiner Bauart her vom Invaliden selber und von einer Drittperson bedient werden kann. Es stellt also eine Stufe zwischen gewöhnlichem Rollstuhl und Elektrofahrstuhl dar. Wie das EVG selber anerkennt, besteht selbst bei Invaliden, welche einen Elektrofahrstuhl bzw. ein Schubgerät selber bedienen können,

das Bedürfnis, auf längeren und schwierigeren Strecken von einer Drittperson begleitet zu werden. Die Schubhilfe soll dabei die Hilfsperson unterstützen. Wieso Hilfspersonen von Schwerstbehinderten, die auf dauernde Begleitung angewiesen sind, nicht auch in den Genuss dieser Unterstützung gelangen sollen, ist sachlich nicht begründbar. Im vorliegenden Fall, wo mangels Unterstützung der Hilfsperson die Fortbewegung der Beschwerdeführerin vollständig vereitelt wird, wirkt die bisherige Praxis derart stossend, dass an ihr nach der Überzeugung des Gerichtes nicht festgehalten werden darf. Ein batteriebetriebenes Schubgerät muss auch zur Erleichterung der Hilfe von Drittpersonen abgegeben werden, wenn eine angemessene Fortbewegung des Behinderten anders nicht mehr erreicht werden kann, auch wenn die behinderte Person das Hilfsmittel nicht selbst bedient.

3.- In Gutheissung der Beschwerde wird der Einspracheentscheid vom 13. Februar 2004 aufgehoben, und es ist der Anspruch auf das anbegehrte Hilfsmittel zu bejahen. Gerichtskosten sind keine zu erheben (Art. 61 lit. a ATSG).

Demgemäss hat das Versicherungsgericht

im Zirkulationsverfahren gemäss Art. 53 GerG entschieden:

  1. In Gutheissung der Beschwerde wird der Einspracheentscheid vom 13. Februar 2004 aufgehoben, und es wird festgestellt, dass die Beschwerdeführerin Anspruch auf eine elektrische Motorhilfe für ihren Rollstuhl hat.

  2. Es werden keine Gerichtskosten erhoben.

Bitte beachten Sie, dass keinen Anspruch auf Aktualität/Richtigkeit/Formatierung und/oder Vollständigkeit besteht und somit jegliche Gewährleistung entfällt. Die Original-Entscheide können Sie unter dem jeweiligen Gericht bestellen oder entnehmen.

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